Schon der
Titel dieses französischen Werkes von 1988 mutet seltsam an, da nämlich nicht
nur einer, sondern gleich zwei Bären im Film vorkommen, um die sich die
Geschichte rankt. Und so kommt unweigerlich die Frage auf: Welcher der beiden
ist mit „Der Bär“ denn nun gemeint? Der kleine oder der große Bär?
Eine Inhaltsangabe:
Die
Geschichte an sich beginnt traurig. Beim Ausrauben eines Bienennestes wird die
Mutter des kleinen Bären von einem sich lösenden Felsbrocken erschlagen, was
den kleinen Bären zu mitleiderregendem Weinen veranlasst. Ja, es klingt
wirklich so, als hätte man die eigentliche Tonspur zusätzlich mit einem leisen Kinderwimmern
unterlegt – mit einem sehr menschlichen Kinderwimmern. Dazu noch theatralische Musik,
die das Ganze untermauert. Offensichtlich will man uns zum Heulen bringen. Doch
ich kann mich beherrschen.
Nach der
ersten Viertelstunde Spielzeit taucht erstmalig der große Bär auf – und dann
ein Eichhörnchen, das ihm aus Versehen einen Tannenzapfen auf den Kopf fallen
lässt. Verständlicherweise möchte es ungern aus Rache von ihm verspeist werden.
Es huscht ängstlich durch den Baum und gibt dabei sehr eindeutige
Meerschweinchengeräusche von sich. Ja, wirklich – Meerschweinchengeräusche! Das
finde ich ziemlich verstörend. Aber auch äußerst lustig. Wahrscheinlich wussten
die Männer vom Ton nicht, was ein Eichhörnchen so für Geräusche macht. Da
dachten sie sich: „Egal! Alle Tiere, die auf „-nchen“ enden, werden schon
irgendwie ähnlich klingen!“
Um dem Film
etwas Spannung beizumischen, befand man es für nötig, zwei Jäger auftauchen zu
lassen. Nennen wir sie der Einfachheit halber „Opa-Jäger“ und „Schnösel-Jäger“.
Die beiden entdecken den großen Bären, genauer gesagt: den großen Baum, an dem
dieser sich genüsslich schubbert und der dabei ordentlich ins Wanken und
Schwanken gerät – was aus der Ferne gut zu sehen ist. Andere Jäger orientieren
sich an Fußspuren oder umgeknickten Grashalmen, diese hier an wackelnden
Bäumen. Herrlich!
Nur wenige
Augenblicke später erschießt der Schnösel-Jäger den großen Bären … Ach, nein,
Moment! Er schießt ihn bloß an. Sonst wäre der Film ja auch irgendwie vorbei. Obwohl:
Es gibt schließlich noch einen zweiten Bären und dann wäre auch wenigstens mal
klar, welcher der beiden mit „Der Bär“ gemeint wäre, nämlich der noch lebende.
Wie auch immer. Der große verwundete Bär rächt sich an den Jägern, indem er ihr
Lager zerstört – und Opa-Jägers Pferd. Was traurig ist, weil das Pferd nun
wirklich nichts dafür kann. Opa-Jäger ist sauer und schwört dem Bären, ihn zu töten.
In den
darauffolgenden Minuten hinkt der große Bär durch die Gegend (wobei ich mich
ununterbrochen frage, wie man einen Bären trainingstechnisch dazu bringt, so
etwas zu tun?) und kühlt seine Wunden in Pfützen. Der kleine Bär – wer weiß
schon, wo er zwischenzeitlich gesteckt hat? – spürt ihn auf und will mit ihm
ziehen. Der arme leidende große Bär will kein zusätzliches Anhängsel und knurrt
ihn böse an. Der kleine Bär will sich aber nicht abschütteln lassen. Elendige Bratze!
Schließlich beginnt er, dem großen Bären die Schusswunde zu lecken – ob es ihm
gelingt, auch die Kugel zu entfernen, verrät man uns nicht. Dem großen Bären jedenfalls
gefällt’s. Er erwidert das Geschlabber. Geigen. Orchester. Hoffnung. Der kleine
Bär ist nicht mehr allein. Der große auch nicht. Juhu! Die ersten dreißig
Minuten des anderthalbstündigen Films hätten wir geschafft.
Die Bären gehen
Fische fangen, dann jagen sie einen Hirsch. Beim letzteren robben sie bäuchlings
näher an ihn heran. Ich bezweifle, dass Bären das in der Realität tatsächlich so
machen – aber man belehre mich gern eines besseren, wenn man sich auskennt. Schließlich
erlegen die beiden ihre Beute, wobei ich denke, der große Bär hat dabei den
Bärenanteil (ha, ha!) erledigt. Genau kann ich es nicht sagen. Denn die Szene
des Erlegens findet hinter einem Busch statt, weil’s ansonsten für den
Zuschauer wohl zu brutal anzuschauen wär. Ja, oder weil man es filmisch
schlecht umsetzen konnte, dass der große Bär dem Hirsch tatsächlich an die
Kehle springt. Zumindest hätte man in diesem Fall auf die abschließende
Bemerkung verzichten müssen: „Während der Dreharbeiten zu diesem Film sind
keine Tiere zu Schaden gekommen.“
Es wird
gefressen, dann geschlafen. Der kleine Bär hat einen Alptraum. Die hat er oft.
Wie sie so
durch die Landschaft streifen, treffen die ungleichen Bärenkumpels eine
Bärenlady. Der große Bär fällt erstmal ein paar Bäume, um sie zu beeindrucken. Der
kleine Bär, der ihm alles nachmacht, ohne nachzudenken, rackert sich an einer
kleinen Tanne ab. Oder ist es ’ne Fichte? Jedenfalls ohne Erfolg.
Die Bärenlady
ist hin und weg – vom Großbären, nicht vom Kleinbären – und dann passiert, was
eben passiert zwischen Männlein und Weiblein. Der kleine Bär guckt heimlich zu,
scheint aber nichts von alledem zu verstehen. Er wirkt schnell gelangweilt,
schläft beinahe ein, geht dann weg, um nach Zerstreuung zu suchen, findet Pilze
– die falschen Pilze – und nimmt ein paar Bissen. Kennen Sie „Bridget Jones – Am Rande des Wahnsinns“, den zweiten Teil von „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“, wo Bridget in Thailand diese halluzinogenen Pilze isst? So in etwa
muss man sich das hier auch vorstellen.
Nach einem
gemeinsamen wilden Tag und einer darauffolgenden gemeinsamen ruhigen Nacht, haut
der große Bär ab, während Ladybär noch schläft. Schuft! Wenigstens sein kleiner
Bärenkumpel (der seinen Rausch inzwischen ausgeschlafen hat) bemerkt, wie er sich davon
stiehlt und folgt ihm.
Opa-Jäger
hatte Schnösel-Jäger in der Zwischenzeit allein gelassen, um Verstärkung zu
holen. Nu is er wieder da: Inklusive drittem Mann und einer Meute Hunde.
Darunter ein Lieblingshund. Woran man erkennt, dass es sich um einen
Lieblingshund handelt? Erstens ist er als einziger Hund blond und wuschelig,
anstatt dobermannartig. Zweitens wird er bei ihrer Ankunft erstmal innig vom
Schnösel-Jäger geknuddelt. Man ahnt schon jetzt Böses.
Die Jäger
machen sich auf die Jagd. Kein Mensch weiß, warum die eine Hälfte der Hunde
angeleint ist, die andere hingegen nicht. Zumindest scheinen sie Fährte
aufzunehmen, denn sie kommen den Bären näher. Aber auch Bären haben
bekanntermaßen Nase und Ohren. Sie riechen und hören die Hunde von weitem,
machen sich aus dem Staub, klettern in die Berge.
Verfolgungsjagd!
Hunde kommen bedrohlich nahe. Kleinbär versteckt sich in einer Höhle. Großbär schlägt
zu. Hunde fliegen durch die Luft. Großbär haut ab. Die restlichen Hunde
hinterher. Jäger finden Lieblingshund verletzt in Spalte. (Hat man leider
kommen sehen.) Opa-Jäger erschießt ihn. Schnösel-Jäger weint. Kleinbär wagt
sich aus Höhle. Zu früh. Jäger entdecken und fangen ihn. Lebende Trophäe und
so.
Zurück im
Lager wird der kleine Bär von den Jägern geärgert. Bestimmt deshalb, weil er so
klein und weniger deshalb, weil er ein Bär ist. Jedenfalls bezweifle ich, dass
sie es mit dem großen Bären genauso gemacht hätten. Und sie scheinen nichts Besseres zu tun zu haben. Der Schnösel-Jäger versucht gar, ihm sprechen
beizubringen. Opa-Jäger lacht. Beide scheinen den Tod ihres Lieblingshundes gut
weggesteckt zu haben.
Man hört
ein lauter werdendes Bellen und weiß: Die restlichen Hunde kehren heim ins
Lager. Während die Jäger aufstehen und rufen, um es ihnen leichter zu machen, rettet
sich der kleine Bär erstmal auf einen Baum, weil die Hunde (teilweise schwer
verwundet) immer noch genug Kraft haben, ihn ordentlich zu verbellen.
Beim
späteren Versuch des Kleinen, sich von seiner Fessel zu befreien, ertönen wieder
sehr menschliche Geräusche – ein angestrengtes und ein bisschen verärgertes
Kinderkeuchen. „Mensch, dieses doofe Seil muss doch abgehen!“
Ab geht das
Seil leider nicht. Aber durchknabbern kann er es während der Nacht. Am nächsten
Morgen finden die Jäger ihn schlafend zwischen toten Bärenfellen und finden das
sehr amüsant. Sie ärgern ihn – mal wieder! –, indem sie ihm Essen vor die Nase
halten und es ihm dann wieder wegnehmen.
Der große
Bär ist währenddessen immer in der Nähe und beobachtet das Geschehen. Man weiß:
Er will seinen Kumpel wiederhaben und wartet nur auf den richtigen Moment.
Die Jäger,
die immer noch scharf auf den großen Bären sind, teilen sich auf, um ihn zu
finden. Der Kleine wird im Lager zurückgelassen, zusammen mit einem verletzten
Hund, der zunächst friedlich schläft. Doch der kleine Bär macht einen solchen Krach
beim Ausrauben der Konserven, dass er die Aufmerksamkeit des armen Hundes
erregt. Er springt auf und jagt ihn durchs Lager, ist zum Glück aber angeleint,
sodass sich seine Leine mal hier und mal dort um die Bäume legt und er
schließlich … nicht weiterkommt. Kleinbär nutzt die Situation aus, indem er
sich direkt vor ihn setzt und ihn ärgert. Kleine Bratze!
Der Schnösel-Jäger
sollte eigentlich auf seinem vorgesehenen Posten bleiben, hat dann aber schrecklichen
Durst und sucht eine Bergquelle, um sich zu erfrischen. Da kommt rein zufällig
– oder auch mit voller Absicht – der große Bär um die Ecke. Er macht ordentlich
Stunk, scharrt ihm Dreck zu und brüllt ihn zusammen, dass die Sabber fliegt. Der
Schnösel-Jäger macht sich klein und winselt um Gnade. Fliehen kann er nicht, da
sich neben ihm ein Abgrund befindet. Der Bär zieht sein Ding ab und wird
schließlich ruhiger. Man hört ihn förmlich denken: „Ach, komm, lass ich den
Feigling eben leben!“ Dann geht er.
Der Schnösel-Jäger
– immer noch aufs Abknallen programmiert – läuft und holt sein Gewehr, visiert
an, kann dann aber nicht schießen. Auch den Opa-Jäger, der dazukommt, hält er davon
ab, abzudrücken, indem er den Lauf seiner Flinte packt und ihm einen mitleiderregenden
„Ja-ich-weiß-ich-bin-nicht-der-mannhafte-Jägerkollege-den-du-dir-immer-gewünscht-hast-Blick“
zuwirft.
Schließlich
und schlussendlich packen die Jäger ihre restlichen Hunde zusammen und lassen den
kleinen Bären gehen. Checken tut er es nicht und folgt ihnen. Der Schnösel-Jäger
jagt ihn davon und dann weiß man: Freiheit! Jetzt ist alles gut!
Nichts ist
gut. Neue Szene – neues Pech. Ein blutrünstiger Puma taucht auf und will dem Kleinen
an den Kragen. Beim Weglaufen wieder so komisch menschliche Geräusche. Dann der
Nahkampf: kleiner Bär gegen Puma. Der Kleine brüllt so laut er kann, was
ziemlich albern klingt, weil er eben noch ein Baby ist. Trotzdem – man glaubt
es kaum – verschwindet der Puma. Doch bevor der Kleinbär es sich selbst
zuschreiben kann, bemerkt er, dass der Großbär hinter ihm steht. Dieser leckt ihn
sauber. Und dann auch umgedreht. Musik und so. Wie gehabt. Die beiden sind
wieder vereint. Jetzt ist wirklich alles gut. Jetzt latschen sie wieder zu
zweit durch die Gegend. Schneeflocken. Wintereinbruch. Höhlensuche. Höhle
gefunden. Immer hinein da. Winterschlaf. Mehr Musik. Alles friedlich und so.
ENDE. Abspann. Lache immer noch über das Eichmeerschweinhörnchen.
PS: Und
weiß auch im Nachhinein noch nicht, welcher Bär denn nun eigentlich „Der Bär“
ist.
Nachtrag: Inzwischen weiß ich immerhin, dass Eichhörnchen wirklich sehr meerschweinchenähnliche Geräusche produzieren können. Wer hätte das gedacht?